Pest oder Cholera
Im neuen, auf Dänisch erschienenen Buch des Samsøer Museumsvereins „Samsø – et sted af betydning“ ist Bedeutung positiv belegt, obwohl das Wort gelegentlich mit einer Plage verbunden sein kann. Im Artikel „Pest oder Cholera” wird darüber berichtet, wie Samsøs besondere Lage große Opfer unter den Inseleinwohnern gefordert hat.
Von Erik K. Foged, Lis Nymark und Andreas Nymark
Der Artikel ist ein Auszug aus „Samsø – et sted af betydning“
Seit jeher ist Samsø ein wichtiges Bindeglied zwischen Jütland und Seeland gewesen. Von Kolby Sten ging die Fährverbindung nach Horsens und Grenå in Jütland, und von Brundby Balle verkehrte die Fähre nach Refsnæs und Kalundborg auf Seeland. Die Marine begleitet zivile Schiffe in Kriegszeiten, sowohl in den dänischen Gewässern als auch in Richtung Norwegen. Dabei war der Kyholm Sund ein zentraler Treffpunkt. Ein Feind, der Samsø besetzt hätte, hätte von hier aus der dänischen Schifffahrt großen Schaden zufügen können. Umgekehrt hätte eine starke Befestigung Samsø und die Häfen in geeignete Zufluchtsorte für dänische Schiffe umgewandelt.
In den unruhigen Jahren im ausgehenden 18. Jahrhundert, als Europa von den Napoleonischen Kriegen geplagt war, konnte Dänemark seine Neutralität bewahren. 1801 aber war die von England ausgehende Kriegsgefahr zu stark, und in Dänemark bereitete man sich auf einen eventuellen Angriff vor. Die Festungswerke wurden in Stand gesetzt, und es wurden neue Verteidigungsanlagen eingerichtet. Auch Samsø war im Gespräch.
Für die Samsøer Bevölkerung war die Kriegszeit eine schwere Belastung. Bereits im Frühling 1801 begannen die Unruhen auf der Insel wegen der vielen zusätzlichen Bürden, die den Insulanern auferlegt wurden. Zwar war man den Frondienst für den Grundherren der Insel, Graf Danneskiold-Samsøe, gewohnt, aber nicht in dem Umfang, der der Insel nun durch den König, also von der Seite des Militärs, auferlegt wurde. Das Heranziehen von Menschen für die Arbeit am Schanzenbau auf Kyholm, Lilleør und am Besser Rev, sowie der Einzug zur Landwehr und zum Landsturm mit Exerzierübungen, bereitete der Landwirtschaft natürlich Probleme. Der Gutsverwalter Friis beschrieb die Situation in einem Brief an den Grafen Ende April 1801 folgendermaßen:
„Indes bemerke ich seit Langem ein Gären unter den Bauern, und viele sind missmutig. Denn wenn eines Mannes Knecht dem Seedienst verpflichtet ist, seine Landmänner an den Kanonen angestellt sind und feste Arbeit bei Kyholm haben und er selbst Landwehrmann ist, Exerzierübungen durchführen muss, seinen Dienst bei der Armenpflege tut, die vielen Fahrten bestreiten soll, keine Männer auf seinem Hof besitzt oder für kein Geld ebendiese leihen kann – darf ich untertänigst fragen, was ein solcher Mann tun soll?“ Die Atmosphäre war aufgeladen.
Was in dieser Zeit ebenfalls häufig in den Grundbüchern erwähnt wird, sind die vielen Beschwerden über das Benehmen der fremden Soldaten. Vor allem die in Ørby einquartierten Husaren führten zu vielen Klagen, wie der Fall des Hofbesitzers Peder Jensen Ladefoged, der „von einem Husar am Tor seines Hofs niedergeritten wurde, und ein Krüppel, Kirsten Andersdatter, ebenda von einem Korporal Bomberg misshandelt wurde …“. Es wird auf frühere Verhöre und „das Justizprotokoll für die militärische Rechtsprechung auf Samsø und Kyholm“ verwiesen.
Das schwerste Verbrechen während des Kriegs fand im November 1810 statt. Ein Soldat des fünischen Infanterieregiments auf Kyholm wurde wegen Raubmords an einer Frau aus Agerup verurteilt. Dem Soldat Jens Fausing wurde in Tranebjerg der Prozess gemacht, und am 13. Mai 1811 wurde das Urteil gesprochen: „Dem gefangenen Musketier des fünischen Infanterieregiments, Jens Sørensen soll das Leben versagt werden.“ Am 17. Juli wurde er auf einem Hügel südöstlich von Sælvig geköpft.
Die schlechten Zeiten in der Landwirtschaft waren auch daran ersichtlich, dass immer mehr Bauern ihren Boden aufgaben. Im Grundbuch für die Samsøer Verwaltungseinheit steht am 7. April 1812 geschrieben: „Der Kontrolleur Egeriis von Ørby kam, um sein gepachtetes Land bei der hochgräflichen Herrschaft am kommenden 1. Mai zu kündigen, da er in diesen beschwerlichen Zeiten nicht subsituieren konnte und einige Jahre lang zu viel bei seinem Anbau ausgesät hatte, den er selber persönlich nicht betreiben konnte.“ Mehrere andere taten es ihm gleich.
Ein weiterer Zweig, der ebenso wie die Landwirtschaft unter dem Krieg litt, war die Kleinschifffahrt. Nach 1807 wurde das Leben für die Kapitäne und deren Mannschaft sehr schwierig. Viele Schiffe wurden vom Heer zwecks Materialtransports vereinnahmt, und auf eine Entschädigung konnte man lange warten. Versuchte man, die englische Handelsblockade zu umgehen, konnte es einem so ergehen wie „Den drei Brüdern“, die von den Briten bei Skagen zurückgehalten wurden, nachdem sie im Frühling 1811 einen Ausflug in das norwegische Risør unternommen hatten. Die Besatzung wurde gefangen genommen, der Kapitän aber wurde am darauffolgenden Tag befreit und kam mit einem Schiff in Richtung Tunø nach Samsø. Über das Schicksal der restlichen Besatzungsmitglieder ist nichts bekannt.
Samsø – et sted af betydning
- Das Buch „Samsø – et sted af betydning“ wurde 2021 vom Samsøer Museumsverein herausgegeben.
- Zehn Autorinnen und Autoren, die sich persönlich mit Samsø verbunden fühlen oder ein fachliches Interesse an Samsø, haben mit insgesamt 14 Artikeln zur Kulturgeschichte der Insel beigetragen.
- Das Buch bietet geografisch und zeitlich verortete Beiträge über die Insel. Hierbei geht es um die Zeit der Wikinger, das Mittelalter, den Zweiten Koalitionskrieg oder die Cholera-Quarantäne, und es wird Spannendes von vergessenen und altbekannten Ereignissen wie Schiffbrüchen, Mühlenbränden, heiligen Steinen und Ehrenmännern berichtet – dabei stehen immer Samsø und deren Einwohner im Mittelpunkt.
- Das Buch ist bei VisitSamsø, der Touristeninformation in Tranebjerg und auf shop.visitsamsoe.dk erhältlich.
Zuletzt geändert: 21/11/2024 17:26