Kunst und Kultur auf Samsø, Samsø - Meine Insel, Samsø für Erwachsene

DAS HERZ SCHLÄGT FÜR SAMSØ

Ivan Pedersen hat mehr als 700 Songs geschrieben, über 50 Alben aufgenommen und mitproduziert und in den gut 55 Jahren als aktiver Musiker über 5.000 Konzerte gegeben. Ivan beschäftigt sich mit allem von fernen Galaxien bis hin zu Keksen, und er gibt gerne von Atomen und Gebäck etwas ab.

Der griechische Fischer
Als Ivan 1977 seine Lebenspartnerin Jytte Poulsen kennenlernte, wohnte sie in einer kleinen Ein-Zimmerwohnung im Kopenhagener Vorort Valby. Im mikroskopisch kleinen Badezimmer hing eine Postkarte, auf der ein alter, griechischer Fischer mit faltigem und wettergegerbtem Gesicht abgebildet war. „So sehe ich ganz bestimmt auch bald aus, und da ist es ja gar nicht so schlecht, dass Jytte seit ihrem 18. Lebensjahr wusste, dass sie auf so einen Typen abfährt”, erzählt Ivan.

Die meisten von Ivans Falten sind Lachfalten, und wenn man sich näher mit seinen vielen musikalischen Errungenschaften beschäftigt, versteht man auch, warum: Platzierungen in den Charts, Rock, Grammys, ESC, Disco, Ehrenamtliches, Tivoli Varieté, Country, Welthits, Chöre und vieles mehr. Passend dazu hat Ivan seine letzte Tournee „ich liege noch nicht am Boden“ genannt – ganz im Gegenteil!

Wenn man Ivan fragt, wie er sich fit hält und Energie für neue Projekte findet, antwortet er wie aus der Pistole geschossen: „Offen für Neues sein und ein stetiges Streben nach Erneuerung.“ Das wird auch deutlich, wenn er für sich und andere Songs schreibt. „Wenn ich mit einem neuen Lied anfange, ist es mir wichtig, dass es sich nicht anhört wie eines, das ich bereits geschrieben habe. Das ist eigentlich völliger Quatsch und nicht besonders schlau, aber so geht es mir einfach“, erzählt Ivan. Und das ist an sich schon bemerkenswert, wenn man es schon über 700 Mal getan hat.

Worte und Töne
Die selbstauferlegte konstante Innovation hat auch dazu geführt, dass sich Ivan durch viele musikalische Genres bewegt hat. Und er ist schon lange in der Branche, wie er betont: „So lange, dass ich fast alle tontragenden Medien durchgemacht habe. Ich habe auf Telegraphonen aufgenommen, später auf enormen 24-spurigen Bandmaschinen, und jetzt lässt sich das meiste auf einem Laptop machen. Es hat sich von Schellackplatten zum Streaming hin entwickelt. Die Musik einer jenen Zeit wird auf Instrumenten einer jenen Zeit gespielt, wie Kasper Winding es ausgedrückt hat, und der Computer ist der Fender Stratocaster unserer Zeit. Aber es gibt nun einmal nichts, das einen talentierten und ausdrucksvollen Instrumentalisten oder Vokalisten ersetzen kann. Hinter jedem Betätigen einer Gitarrensaite oder einer Klaviertaste, hinter jeder Vokalphrasierung stecken Musikalität, Gefühl, Timing und tausende Probenstunden, und wenn man Töne und Worte miteinander kombiniert, kann etwas ganz Besonderes entstehen, das im besten Fall größer als die Summe der einzelnen Teile wird. Ich glaube nicht, dass handgemachte Musikvorführungen im selben Raum – und vor einem Live-Publikum – jemals verschwinden werden.“

Das ganzg Besondere, von dem Ivan spricht, betreibt er seit einigen Jahren gemeinsam mit Søren Jacobsen, einem auf der Insel Sesshaften, Peter Busborg, einem Freizeitinsulaner, und Søren Skov – allesamt gute Komponistenkollegen. „Wir haben eine Art Institut für Komponisten für handgemachte Musikvorführungen gegründet. Im Grunde genommen geht es darum, einige Liedermacher, Musiker und Produzenten eine Woche lang in Besser zu versammeln, wo uns vier professionelle Studios zur Verfügung stehen. Im Laufe der Woche arbeiten wir in wechselnden Gruppenkonstellationen miteinander, und der Workshop wird mit einem Konzert beendet. Das macht uns – und hoffentlich auch den Insulanern – viel Spaß.“

Das Haus hat uns angesprochen
Besser ist auch der Ort, an dem Ivan und Jytte ihr Zuhause haben, und der Weg dorthin begann „an einem eiskalten Februartag, an dem wir in der Nordbyer Gastwirtschaft Kaffee tranken. Wir waren zwei Wochenenden hintereinander auf Samsø, um uns Häuser anzusehen, und unsere Hartnäckigkeit, oder vielleicht unsere wählerische Einstellung, hatte beinahe die Immobilienmakler um den Verstand gebracht”, erinnert Jytte sich an 1997, als sie und Ivan den Ort fanden, der später ihr Zuhause werden sollte.

Damals wohnte das Paar in einer Wohnung in Kopenhagen, und das Haus auf Samsø war als Ferienhaus und Rückzugsort gedacht, wo sie die Ruhe genießen und Energie tanken konnten. „An der Außenwand der Gastwirtschaft hing ein Schaukasten mit Häusern, die zum Verkauf standen, und da fiel es uns auf. Das Haus! Es hatte uns ganz einfach angelockt: Komm, komm, komm, erklärt Jytte. Das Fachwerkhaus in Besser war genau das, wonach Jytte und Ivan gesucht hatten, und seit 2016 ist es ihr Erstwohnsitz.

No, I’m Danish
Ein Jahr vor dem Hauskauf auf Samsø war Ivans Leben von den olympischen Ringen umgeben. „Bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 wurde die Band Backseat beauftragt, einen Song zu schreiben, der die Übertragungen der dänischen Sender DR und TV2 einleiten sollte. Der Song erhielt den Titel No. 1 in Your Heart, ist aber besser unter dem Titel Atlanta bekannt. Es sollte auch ein Video produziert werden, das in der Gastgeberstadt aufgenommen werden sollte“, erzählt Ivan.

Die Aufnahmen in den Straßen von Atlanta wurden von einem großen Filmteam begleitet, erzählt Ivan: „Die Amerikaner sind wirklich von Berühmtheiten besessen – so, wie man es aus dem US-amerikanischen Fernsehen kennt. Die Leute sind stehengeblieben und haben mich gefragt, ob ich berühmt sei. No, I’m Danish! war alles, was ich antworten konnte!“ Dafür waren sein Name und sein Wirken den meisten Dänen bekannt. Auch Peder in Besser.

„Kurz nachdem wir das Haus gekauft hatten, traf ich im Lebensmittelgeschäft vor Ort Peder. Er war unser Nachbar und ein patenter Typ, der solide auf der Insel verwurzelt war. Peder stellte sich mit folgenden Worten vor: Tag, ich heiße auch Pedersen, ich bin aber noch nie im Fernsehen gewesen. Die Gerüchte, dass ein Popsänger in den Ort gezogen sei, kursierten schon“, erinnert Ivan sich.

Kekse gehören dazu
Besser ist ein Bestandteil von Jyttes und Ivans Leben geworden und umgekehrt. Beide erzählen munter von Gebäuden und Bewohnern, vom Mühlenbrand aus einem berühmten Spielfilm, von den Käsesorten aus der Molkerei, vom Dorfteich und den Feiern, vom Zusammenhalt und von Freundschaften. Samsøs Geschichte ist beiden wichtig, und Ivan hatte sich erst richtig dafür interessiert, als er als 48-Jähriger nach Samsø kam: „Ich trank vom Wasser der heiligen Quelle, und in dem Augenblick explodierte der Hauch der Geschichte in meinem Kopf. Dort zu liegen – 30 cm vom Salzwasser entfernt – und Trinkwasser aus einem Brunnen zu trinken, den die Menschen schon vor über 3.000 Jahren nutzten – das ist total abgefahren!“

Es wird deutlich, dass Jytte und Ivan komplett ins Dorfleben integriert sind, und beide sind sich der besonderen Mechanismen im Dorf und auf der Insel bewusst.

„Wenn man an einem kleinen Ort angekommen ist, werden die kleinen Dinge wichtig. Das gilt für alle Bereiche. Nur ein kleines Detail: Das Erste, was wir hier drüben lernten, war, dass man zum Kaffee immer etwas anbieten muss. Die Leute waren sehr verwundert, wenn Jytte den Kaffee brachte. Kommt da gar nicht mehr?, dachten sie, Kekse oder so etwas? Die Alten im Ort wollten keinen trockenen Kaffee, deshalb werden jetzt immer Kekse zum Kaffee gereicht“, versichert Ivan.

Unterstützung vor Ort
Nicht selten laden Jytte und Ivan zu geselligen Zusammenkünften ein, und beide engagieren sich bei den unterschiedlichen Aktivitäten im Dorf. „Es gibt immer jemanden, der anführen muss, wenn etwas passieren soll, und das tun wir ab und zu auch. Aber das klappt ja nur, wenn andere mitmachen, und jede Initiative braucht aktive Teilnehmer“, erzählt Ivan.

Eine der Veranstaltungen, bei denen Ivan einer der Organisatoren war, ist der der Liederabend im Versammlungshaus von Besser. „Es ist kein Projekt, das von nur einer Person gestemmt werden kann, und ich trete nicht überheblich auf. Die Liederabende werden gemeinsam mit dem Bürgerverein veranstaltet, und es ist nur möglich, wenn wir alle anpacken und Tische rücken, eindecken, Tickets verkaufen und so weiter. Ich empfinde die Insulaner als Menschen, die sehr gesellig, praktisch veranlagt und kulturell auf eigenen Beinen stehen und neue Initiativen unterstützen. Vielleicht weil wir wissen, dass die Dinge verschwinden, wenn wir sie nicht unterstützen“, überlegt Ivan und fährt fort:

„Eine Bemerkung einst bei einem Treffen zu der viel diskutierten Brücke machte es mir plötzlich deutlich: Eine Insel ist ein Stück Land, das von Wasser umgeben ist! Ja, natürlich, denkt man, aber dann wird einem der Sinn bewusst. Das macht die Insel bewohner so besonders – sie haben sich daran gewöhnt, alles selbst machen zu müssen. Wir hier drüben schaffen unsere eigene Realität, denn niemand tut es für uns.“

Mehr für mich
Worte und Gedanken, Erzählungen und Musik stehen im Haus in Besser hoch im Kurs. Und wenn es nach Ivan geht, wird das viele Jahre lang so bleiben, wie er im Lied „Med hjertet udenpå” (dt.: Offenes Herz“) beschreibt. Das Lied veröffentlichte Ivan 2016 vor seiner bevorstehenden Herzoperation. Sinngemäß lautet die deutsche Übersetzung folgendermaßen:

Wie der Winterling bin ich bereit
Mich vom Februar zu verabschieden
Ohne den sicheren Glauben der Blume,
dass alles selbstverständlich ist
Ich finde, ich kann trotzdem spüren
Was ich in mir habe
An Mut, Lebensmut
Falls mehr für mich da ist

Entgegen dem Strom verfolge ich den Traum
Nackt und mit geöffnetem Herzen
Obwohl mir niemand sagen kann
Was mir das Leben geben will
Ich kann dir aber versprechen
Ich nehme, was ich kriegen kann

Es gibt so viel zu tun
So viel zu erreichen
Aber mein Konto ist im roten Bereich, was die Zeit angeht
Einige rechnen in Jahrzehnten
Ich nehme jede Stunde, die ich kriegen kann und ohne zu wissen
Ob mehr für mich da ist

Entgegen dem Strom verfolge ich den Traum
Nackt und mit geöffnetem Herzen
Obwohl mir niemand sagen kann
Was mir das Leben geben will
Ich kann dir aber versprechen
Ich nehme, was ich kriegen kann

Auf eine Art ist mein Glas mehr als voll
Ich habe ganzen Herzens geliebt und wurde geliebt
Ich weiß, dass neue Türen einen Spaltbreit offen stehen,
andere werden geschlossen
Deswegen greife ich gierig nach dem, was ich kriegen kann
Falls mehr für mich da ist

Ivan Pedersen

  • Geboren 1950.
  • Spielt u. a. Trommel.
  • Begann seine musikalische Karriere 1965, als er gemeinsam mit einigen Freunden die Band McKinleys gründete, die bis 1980 existierte.
  • Hatte in den 1980ern weltweit als Teil des Popduos Laban großen Erfolg. Die Band war eine der wenigen in der dänischen Musikgeschichte, die es in die amerikanischen Billboard Hot 100 geschafft hatten.
  • War zudem Sänger in den Bands Backseat, Sing Sing Sing und Mitsänger bei Moonjam. Zeitweise war er als Sänger in der britischen Rockband Deep Purple im Gespräch.
  • Hat diverse Auszeichnungen erhalten, u. a. einen Grammy als bester Sänger des Jahres 1996.
  • Engagiert sich stark in der Musikpolitik und war Vorsitzender von KODA, dem dänischen Pendant der GEMA, und von Dänische Populär-Autoren.
  • Gab 2017 die Autobiografie „Med hjertet udenpå” (dt.: Offenes Herz“) heraus, die in der Touristeninformation VisitSamsø in Tranebjerg erhältlich ist.

Zuletzt geändert: 16/05/2022 15:13