Die mythischen Küsten
In den isländischen Sagen, die irgendwann im 12. – 13. Jahrhundert niedergeschrieben wurden, ist Samsø einer der am häufigsten genannten Ortsnamen. Von Lis Nymark, ehem. Museumsinspektorin, Samsø Museum
Dass Samsø den Seefahrern der Sagenzeit bekannt war und von ihnen genutzt wur de, ist natürlich, da die Insel mitten in der „Hauptverkehrsader“ Dänemarks lag, in einer Zeit, in der es leichter war, sich auf dem Wasser als auf dem Land zu bewegen. Sagentexte berichten, wie die Reisenden in den gut geschützten Hafen Munarvagr, die „Bucht der Sehnsucht“ oder „Bucht der Er innerungen“, einfuhren.
Odin und Lodbrog
Aber Samsø wurde nicht nur aufgrund sei ner zentralen Lage erwähnt. Die Insel war auch mit Mystik verbunden. Denn hier wusste man, dass Odin seine Magie ausübte. „Über dich, Odin, sagten sie, dass du gen Samsø egeltest und du zaubertest wie eine Hells eherin“, heißt es in einem alten Göttergedicht. Die Sagen erzählen auch von dem Wikin ger Ögmund dem Dänen, der einst mit fünf Schiffen in Munarvagr lag. Seine Männer fanden eine hohe Götterstatue von Odin, die ihnen sagte, dass es die Söhne des berühmten Wikingers Ragnar Lodbrog waren, die sie auf Samsø errichtet hatten, zum Schutz gegen die Angriffe fremder Wikinger.
Die Küsten des Krieges
Im Inneren von Munarvagr, oder Stavns Fjord, wie wir ihn heute nennen, verbergen sich noch mehr Geheimnisse. Im Wasser vor dem Dorf Stavns gibt es Spuren einer großen Hafenanlage aus ca. 400 n. Chr. Gehe am frühen Morgen zum Fjord hinunter und du kannst fast die große Wikingerflotte im leichten Morgendunst durch den Fjord ver schwinden sehen. Die Küsten von Samsø haben schon im mer eine anziehende Wirkung auf Frem de gehabt. Im Mittelalter wüteten Piraten und Gesetzlose, und später, in den Kriegen Dänemarks gegen sowohl Schweden als auch England, baute man zur Verteidigung viele Schanzen an den Küsten. Eine der größten ist die viereckige Schanze auf Lilleøre, die als Teil der Ver teidigung der Einfahrt zum Hafen von Langøre während des Krieges gegen Eng land 1801-14 gebaut wurde. An mehreren anderen Stellen an den Küsten, z.B. südlich des Waldes von Brattingsborg, sieht man eine einfachere Schanzenform, nämlich die kleinen, halbkreisförmigen Wälle aus Grassoden und Tang, die „fletche“ genannt werden. Sie wurden in Kriegssituationen ab dem 17. Jahrhundert verwendet. An der Südwestspitze der Insel, dort wo heute der Leuchtturm Vesborg Fyr steht, errichtete Valdemar Atterdag in den 1360er-Jahren eine große Burg. Sie wurde wohl nicht zum Schutz von Samsø gebaut, sondern eher als Machtdemonstration. Heute sind nur noch die großen Wälle und Gräben übrig, aber man spürt den Ehr furcht erweckenden Eindruck, den die Burganlage auf vorbeifahrende Schiffe ge habt haben muss.
Die Waren werden verschifft
Die lange Küstenlinie von Samsø hat auch über Jahrhunderte den Schifferbauern gedient, die besonders im 16. und 17. Jahr hundert kleine und große Schiffe in die Welt schickten, beladen mit dem Überfluss an landwirtschaftlichen Produkten der Insel. Obwohl Langøre von alters her Samsøs einziger Hafen war, gab es viele andere Stel len entlang der Küste der Insel, an denen es möglich war, Waren ohne Wissen der Obrigkeit anzulanden. Eine der meistge nutzten Landestellen war Kragemosen an der Ostküste von Nordsamsø, aber auch Sælvig und Lushavn an der Südküste waren naheliegend. Mit der großen Flotte klei ner Schiffe gingen auch Schiffbrüche und Unglücke einher, wie die vielen Gedenktafeln in den Kirchen der Insel bezeugen.
Zuletzt geändert: 12/03/2025 04:55