Geschichten von der Natur, Natur, Samsø´s Küsten

Die wunderbare, veränderliche Küste

„Die Insulaner nennen die Meere vor den beiden Küstenseiten der Insel „Westsee“ und „Ostsee“. Es ist wie ein Männer- und Frauenname. Das erstgenannte Gewässer kann man immer gut einschätzen. Letzteres kann sich erheben – unberechenbar und spannungsgeladen!”

So schrieb der dänische Maler und Autor Acton Friis 1922. Damals, vor 100 Jahren, waren Friis und sein Mitreisender, der berühmte dänische Maler Johannes Larsen, auf einer großen Dänemarkexpedition, die sie u. a. nach Samsø und die kleinen Inseln in der Umgebung führte. Zweck der Expedition war, die Natur- und Kulturgeschichte dessen zu schreiben, was in Buchform zum großartigen Prachtwerk „Das Land der Dänen“ wurde.

Charakterlicher Unterschied
Friis verrät uns im Abschnitt über Samsø Folgendes: „Keine andere dänische Gegend außerhalb von Djursland und Mols hat mein Herz gleichermaßen ergriffen wie Samsø. Es ist die wahrhaftige jütische Natur, die zu einer Insel geworden ist.“

Insbesondere die Küstenlinie hinterlässt einen bleibenden Eindruck bei Friis: „An nur wenigen anderen Orten als auf unserer kleinen Insel habe ich einen unterschiedlicher ausgeprägten Charakter der Ost- und Westküste festgestellt. Auf beiden Seiten von Sælvig hat sich das Meer im Süd- und Nordland von Westen aus in den Kern des Landes gefressen. So ist die mal hohe, mal flachere Steilküste in einer Linie ohne Vorsprünge entstanden. Von hier aus verläuft das Land mit Gefällestufen Richtung Osten gen milde Küste mit den unregelmäßigen Vorsprüngen und den abgeschirmten Holmen.

Die Unterschiede kommen anscheinend nie aus der Mode – jedenfalls nicht, was die Landschaften betrifft. Samsøs abwechslungsreiche Natur und die markant wechselnden Küstenstrecke mit allem von kreideweißen Sandstränden bis hin zu barschen steinigen Abschnitten schätzen die Insulaner und die Gäste auf der Insel am meisten. Man kann an nur wenigen Stellen in Dänemark – wenn überhaupt – so viel unterschiedliche Natur auf so kleinem Raum erleben.

Es zieht uns magisch an
Die Unterschiede sind nicht nur an der Landschaft, sondern auch an der Zeit zu erkennen. Vor nur wenigen Jahrzehnten war Draget, die gelegentlich überschwemmte Strecke am Anfang des Riffs von Besser, sehr viel länger und tiefer als heute. Vor nur etwa fünf Jahren war Draget komplett geschlossen, und heute bedeckt das Wasser bei Hochwasser in der Regel nur etwa fünf Meter.

Zu Achton Friis’ Zeiten, als weder Klimaveränderungen noch schmelzende Polkappen an der Tagesordnung waren, geschahen ebenfalls sichtbare Veränderungen an der Küste Samsøs. Am Fuße des Riffs von Besser, das Friis als „einen blendenden Streifen weißen Sands, den das schmale Riff zwischen dem schimmernden, opalfarbenen Fjordwasser und dem ultramarinfarbenen Meer” beschrieb, liegt das Kliff „Stålhøj“, worüber er Folgendes schreibt:

„Wie verändert der Strand jetzt ist im Vergleich zu damals, als ich ihn vor zwei Jahren sah. Seine gesamte Kontur ist nun während der gewaltigen Herbststürme im Jahr 1921 verändert worden, als sie von Oktober bis zur Weihnachtszeit über das Land rasten.“ Hier, entlang der Ostseite der Wurzel des Riffs wurde der äußere Strand vom Wiesengrund mit Gras und Strandbeifuß an den kleinen, glitzernden Lagunen auf einer Breite von ungefähr 30 Metern in hohe Strandwälle mit Kieselsteinen verwandelt, die sich, soweit das Auge reicht, in Richtung Süden erstrecken. Und sogar die Steilküste bei Udsager Hage und Staalhøj wurde vom Sturm und der Wasserflut angegriffen; der feine Sandboden davor hat sich von einem prächtigen Badestrand in einen Gürtel aus scharfkantigem Geröll verwandelt, auf den kein Fuß treten kann.“

Der eigene Ruheplatz
Ja, vielleicht nicht barfuß, möchte man hinzufügen. Aber mit gutem Schuhwerk ausgerüstet, ist sogar der widerspenstigste Teil der Küsten Samsøs einen Besuch wert, und „wenn man das Riff verlässt und an der Südseite des Fjords entlang wandert, entfernt man sich mit jedem Schritt weiter von der barschen Natur und nähert sich der Idylle. An der Küste, wo die ehemalige Insel Gammelholm jetzt wie eine hohe und schroffe Halbinsel aus dem Wasser schießt, liegt einer der schönsten Orte am Stavnsfjord. Es gibt kaum einen Ort im Lande, wo ich lieber verweile – insbesondere an einem Frühlingstag wie diesem“, schwärmt Friis.

Wir, die ganzjährig auf der Insel wohnen, können den Wechsel der Jahreszeiten, den Wind und die Sonne, den Sturm und die Stille spüren. Wir können dem weißen Sandstrand folgen, der sich im Herbst in große Tangteppiche einhüllen lässt. Wir können in hohen Gummistiefeln über das Wegstück von der Naturschule nach Langøre waten, das bei strengem Wetter überschwemmt wird, und wir können, wenn der Frost einmal klirrend kalt ist, mitten im Stauns Fjord auf dem Wasser gehen.

Wir möchten das alles so gerne mit unseren Gästen teilen. Vielleicht bis auf den ganz besonderen und sehr persönlichen Ruheplatz, den wir alle haben. Den muss jeder selbst finden und gut auf ihn achten. 

SAMSØ KÜSTE

  • Samsø hat eine Küstenlinie von über 100 km. Sie ist sogar noch länger, wenn man die Inseln und Holme im Stauns Fjord mitzählt.
  • Auf visitsamsoe.dk gibt es jede Menge Tipps und Strecken für Spaziergänge entlang der Küste.
  • Im dänischen Buch „Fodtur rundt om Samsø“ ist auch eine Strecke entlang der gesamten Küste beschrieben. Das Buch ist in der Touristeninformation und auf shop.visitsamsoe.dk erhältlich.
  • Achton Friis (1871-1939) verfasste von 1926 bis 1928 das Werk „De Danskes Øer“ (dt.: Die Inseln der Dänen) in drei Bänden. Später kamen „De Jyders Land” (dt.: „Das Land der Jüten“) und „Danmarks Store Øer“ (dt.: „Dänemarks große Inseln“) hinzu. Zusammen werden die Ausgaben „De Danskes Land” (dt.: „Das Land der Dänen“) genannt.
  • Achton Friis’ Familie besaß ein Haus in Østerby.

Zuletzt geändert: 19/12/2024 01:55