Kosmische KUNSTINSEL
„Der Kosmos hat mich schon immer fasziniert! Partikel, Atomkerne, schwarze Löcher, Naturwissenschaft und Science-Fiction. Und jetzt befinde ich mich in einer kleinen Sternwarte auf Samsø mit der Kunst in den Händen und dem Weltraum über mir!“
Der anerkannte Künstler Jonas Pihl befindet sich auf Samsø, um an der KUNSTØ (deutsch: „Kunstinsel“) teilzunehmen. Er hält eine kleine Spritzpistole in der Hand, mit der er kurz abdrückt, um die Leinwand zu besprühen. Die weißen Elemente, die sich bereits zu Hunderten dort befinden, bekommen schnell Gesellschaft von weiteren.
Wenn man ein paar Schritte zurückgeht uns die Leinwand in ihrer vollen Größe betrachtet, sieht man, dass die weißen Wirbel und Pünktchen auf dem dunkellila Hintergrund zusammen ein Motiv bilden, das als etwas beschrieben werden kann, das zum Weltraum gehört. Und genau das ist der Fall – sowohl im wahrsten Sinne des Wortes als auch im übertragenen Sinne.
Viele der zur KUNSTØ zählenden Workshops und Ausstellungen werden an Orten veranstaltet, die im Alltag nicht mit Kunst in Verbindung stehen. Dadurch entsteht ein ganz besonderes Ambiente, erklärt Jonas: „Kunst wirkt auf eine andere Art, wenn sie aus den gewohnten etablierten Rahmen entfernt wird. Die Sternwarte ist beispielsweise mehr als nur ein anderer Raum. Die Geschichte, die Gegenstände, die Umgebung, ja sogar das Einschussloch in der Scheibe bilden einen Kontext, der sich automatisch in den Arbeitsvorgang und den fertigen Ausdruck einschleicht.“
Ein kultureller Schmelztiegel
Die KUNSTØ ist, mit den Worten des Kunstkritikers Tom Jørgensen, „ein Kunstprojekt, das Samsø als einen kulturellen Schmelztiegel zeigt, wo das Interesse an Kunst, Kulinarik und Literatur für Dänemark enorm und einzigartig ist, weil so viel Dynamik herrscht.”
Im Laufe einer ganzen Woche treffen sich ausübende Künstler, Kunststudenten und Kunstinteressierte zu Symposien, Künstlergesprächen, Ausstellungen, gemeinsamen Essen und vor allem zu vielen Workshops, deren Inhalt breit gefächert ist – von der Fotografie über das Skizzieren bis hin zum Färben von Textilien und Formgießen.
Bei den Workshops hat man die Gelegenheit, die Kunst und die Arbeit der Künstler aus nächster Nähe zu erleben, erklärt Tom: „Man sieht den künstlerischen Prozess mit den eigenen Augen. Man sieht, wie der Künstler bestimmte Entscheidungen trifft. Wie soll die Radierung gemacht werden? Wie mache ich den nächsten Pinselstrich? Wie setze ich mit der Axt an, damit die Holzskulptur das gewünschte Aussehen erhält? Es ist etwas völlig anderes als das, was eine herkömmliche Kunstausstellung bietet.“
Der Hintergrund im Vordergrund
Bei Jonas in der Sternwarte wird weiter am großen Gemeinschaftswerk gearbeitet. „Im Laufe der drei Tage, über die sich mein Workshop erstreckt, arbeiten wir an einem großen gemeinschaftlichen Gemälde, das alle Teilnehmer prägen können. Es gibt so gut wie keine Regeln, und wenn man Lust dazu hat, darf man
sogar etwas übermalen, das andere gemalt haben. Es stehen Pinsel, Airbrush, Malfilzstifte, vorgefertigte Schablonen und vieles mehr zur Verfügung“, berichtet Jonas.
Die Teilnehmer der KUNSTØ haben sehr unterschiedliche Hintergründe und Ausgangspunkte. Dies gilt sowohl für die Künstler, die ausstellen und die Workshops leiten, als auch für die Besucher und Teilnehmer der unterschiedlichen Workshops. „Gestern kamen zwei junge spanische Künstler vorbei, die in Spanien etwas komplett anderes machen als ich. Aber sie machten sich sehr engagiert an die Arbeit.“
Jonas gibt sich große Mühe, die Kontrolle abzugeben, wenn er unterrichtet: „Ich will die Teilnehmer nicht mit einem Gewicht beschweren, sondern sie in die Richtung lenken, in die sie sich vielleicht bereits im Voraus begeben hatten. So erhalten die Teilnehmer und ich einen freieren Zugang zum Material.“
Horizonterweiterung
Jonas wird nicht nur durch die ungewöhnlichen Rahmenbedingungen und die freie Form des Workshops inspiriert. „Die KUNSTØ bietet auch uns ausübenden Künstlern eine Gelegenheit, neue Methoden und Techniken zu erforschen. Wir treffen Kollegen, die eine ganz andere Herangehensweise haben und die mit völlig anderen Materialien arbeiten. Hier können wir uns mit Dichtern, Fotografen, Architekten und anderen Künstlern in einem zwanglosen und gemütlichen Rahmen austauschen. Wir können auch an den Symposien mitwirken, wenn wir einen Beitrag dazu leisten wollen. Insgesamt haben die Veranstalter der KUNSTØ wirklich dafür gesorgt, dass wir alle mit neuen Impulsen nach Hause gehen – sowohl das Zwischenmenschliche als auch das Fachliche betreffend“, stellt Jonas fest.
- Die KUNSTØ 2020 findet vom 27. Juni – 5. Juli statt.
- Das Programm wird laufend auf www.kunsto.dk aktualisiert.
- Die Veranstalter sind einige begeisterte Insulaner – sowohl Künstler als auch Kunstinteressierte.
- Jonas Pihl (geb. 1978) hat 2008 seine Ausbildung an der Königlich Dänischen Kunstakademie abgeschlossen.
- Seine Werke sind in Sammlungen in Dänemark und im Ausland zu sehen.
- Er hat u. a. in der Black & White Gallery in Chelsea, in New York, im Scope Miami und auf der Liverpool Biennale ausgestellt.
- 2018 dekorierte Jonas Aalborgs neues Wahrzeichen, die Silotürme „Zwillinge“ (dän.: „Tvillingerne“) mit zwei enormen Gemälden auf den 34 Meter hohen Silos.
- Auch 2020 veranstaltet Jonas im Rahmen der KUNSTØ einen Workshop.
Zuletzt geändert: 09/02/2021 10:06